Wolfgang Knabl  5. Februar 2020

Wolfgang Knabl  5. Februar 2020

Wohn-Story: 
Energieautark seit 1997

 

Radikales Wohnkonzept: Franz Spreitz baute vor über 20 Jahren sein Traumhaus: Ein Öko-Gebäude ohne Anschluss ans Stromnetz. Dafür hat es Solarkollektoren – und jede Menge Energiespar-Extras.

In Großschönau, gelegen im westlichen Waldviertel, hat der gelernte Elektrotechniker Franz Spreitz 1997 beim Hausbau seinen Traum von Energie-Unabhängigkeit verwirklicht. Keine Strom- oder Gasleitung führt zu seinem Einfamilienhaus.

Vorreiter

Photovoltaik (PV)-Module waren damals etwas Exotisches und wesentlich teurer, als jetzt. Einmal kamen sogar Mitarbeiter des Stromversorgers und prüften mit einem Stromleitungsdetektor, ob er vielleicht „heimlich“ Strom für sein 150 m²-Haus abzapft. Fehlanzeige! „Inzwischen reden sie gerne mit mir, wie mein Stromproduktionssystem funktioniert“, schmunzelt der Photovoltaik-Pionier, in der Szene auch als „Energie-Superheld“ bekannt. Energiewissenschafter und Studenten aus aller Welt kamen und kommen ins westliche Waldviertel, um zu sehen, wie Franz Spreitz mit Gattin Susanna und Tochter Sarah lebt. Schließlich gibt es sonst kaum jemanden, der seit über 20 Jahren aus freien Stücken und mit teils selbst entwickelten Lösungen stromautark wohnt. Aber der Hausherr, Jahrgang 1965, löst gerne technische Herausforderungen. Und er hat in seiner Jugend viel über sauren Regen, Atomenergie, Umweltzerstörung gehört. Bald war ihm klar, dass er mehr für den Umweltschutz tun will, als die in den 70iger und 80iger Jahren populären gelb-roten „Atomkraft? Nein danke“ Buttons zu tragen.

Solarkraft, ja bitte!

An der Außenfassade des 150m2-Hauses: 9 m² PV-Kollektoren für die Stromerzeugung, 9 m² thermische Solarkollektoren für die Warmwasseraufbereitung. Die PV-Kollektoren mit einer Leistungsfähigkeit von 1,3 kWp (Kilowatt Peak) produzieren von Anfang Februar bis Ende Oktober mehr Strom, als die Familie verbraucht. Ein Akku im Keller garantiert etwa 5 - 6 Tage unabhängige Stromversorgung ohne die Sonne. Bald soll der Sonnenstromüberschuss in ein Elektroauto fließen, ins Stromnetz kann er nicht eingespeist werden. Die thermische Solaranlage sorgt für heißes Wasser – auch für die Waschmaschine. Das ist viel effizienter, als das Wasser mit der Waschmaschine aufzuheizen. Ein Windrad unterstützt die Photovoltaik-Anlage. Für den „Notfall“, also mehrere trübe und windstille Tage in Folge, steht ein kleines Benzinaggregat bereit. Geregelt wird das Zusammenspiel der unterschiedlichen Energiequellen und Verbraucher über ein „Energiemanagementsystem“, das im Keller über den Speicherbatterien untergebracht ist. Spreitz sammelt und analysiert alle Daten, zusammen mit Lukas Pawek hat er ein Buch über seine Autarkie-Erfahrungen geschrieben. Zwischen Kabelsträngen und bunten Displays „tanzt“ eine Nadel wild über eine Art Tachometer, sie zeigt die aktuelle Einspeiseleistung des Windrads an - es ist gerade böig.

 

Hightech, Low Tech

Das Wohnzimmer von Familie Spreitz strahlt jene gemütliche Atmosphäre aus, die nur Holzhäuser bieten. Der Rohbau wurde aus Holzblöcken errichtet, verbunden ohne Schrauben mit Nut- und Feder-Stecksystem, Dämmmaterial ist Flachs. Tochter Sarah surft auf der Couch mit ihrem iPad, neben ihr räkelt sich die Katze. Zentrales Element des Raumes ist der Kachelofen, oben umgeben von einer Holzleiste, auf der während der
Heizperiode meist einige Hemden hängen. Diesen energieeffizienten „Wäschetrockner“ hat Franz Spreitz beim Wandern auf Almhütten entdeckt. An der Zimmerdecke: Energiesparlampen und Lautsprecherboxen für die Stereoanlage, die einen ungewöhnlichen Verstärker hat. „Der alte Verstärker hatte 50 Watt Stromverbrauch, auch ohne Musik. Ich habe ihn durch einen Verstärker aus dem KfZ-Bereich ersetzt. Der braucht nur 2 Watt, hat eine bessere Klangqualität. In den meisten Geräten steckt viel Spar-Potential.“ Mit seiner E-Gitarre spielt der Hausherr selbst Jazz- und Blues – nicht nur unplugged.

Ungewöhnliche Energiesparmaßnahmen

Fernseher gibt es keinen, aber das ist keine Energiesparmaßnahme. Der gußeiserne Holzherd dagegen schon. „Ein E-Herd verursacht bei durchschnittlicher Verwendung 10 15% des Stromverbrauchs in einem Einfamilienhaus“, erklärt Franz Spreitz. Gattin Susanna lernte zuerst ihn, dann sein Haus kennen. „Sehr interessant, das hat nicht jeder, hab' ich mir bei meinem ersten Besuch hier gedacht“, schmunzelt sie. Deutlich bewusst wurden ihr die Vorteile des stromautarken Wohnens, als nach einem Eissturm die ganze
Ortschaft länger ohne Strom war. „Da brannten nur bei uns die Lichter.“ Die Toilette im Haus ist kein WC, sondern eine „Humus“-Toilette. Sie stammt aus einem ÖBB-Zug. Anders als im Zug öffnet man die Klappe, bevor man sein Geschäft verrichtet, eine Wasserspülung wird nicht benötigt. 

 

Neue Visionen

Eine weitere Optimierungsvariante: Die Lampen im ganzen Haus werden via eigens verlegtem Stromkreis direkt vom Photovoltaik-Akku mit 12 Volt versorgt, dadurch entfällt der Stromverbrauch für den Wechselrichter. Computer und Smartphones werden mit Ladegeräten aus dem KfZ-Bereich geladen, so können die Geräte effizient direkt aus dem PV-Speicher mit Gleichstrom betrieben werden. Neben vielen kleinen Tüfteleien hat er auch eine „große Vision“: So, wie er Anfang der neunziger Jahre vom stromautarken Ökohaus träumte, fasziniert ihn nun die Idee von einer komplett energieautarken Gemeinde. „Wo es Sonne, Holz und Wind gibt, müsste das eigentlich möglich sein“, meint Franz Spreitz. „Ich bin ziemlich sicher, es würde funktionieren.“

INFO

So erzeugt Franz Spreitz Energie

+ 9 m² PV-Kollektoren für die Stromerzeugung -> liefern ca. 1200 kWh pro Jahr

+ 9 m² thermische Solarkollektoren zur Warmwasseraufbereitung -> könnten durch PV-betriebene Wärmepumpe ersetzt werden

+ Holzofen statt E-Herd

+ Heizung: Kachelofen

+ Windrad mit 1,2 m Rotordurchmesser, 350W Leistung

+ Batterie: Lithium (LiFePo4, ca. 5kWh)

 

So spart Franz Spreitz Energie

+ Waschmaschine wird mit Solar-Warmwasser versorgt: Stromeinsparung ca. 250 kWh / Jahr

+ Kühlschrank-Kühlung: Im Winter werden Einwegflaschen mit Wasser gefüllt, im Garten „vereist“ und in den Kühlschrank gelegt

+ keine Geräte im Standby-Betrieb

+ Lastmanagement: teilweise bereits automatisch, teilweise "Smart user"

+ Steckdosen aus dem KfZ-Bereich

BUCH-TIP

Autarkie. Leben in Freiheit

In diesem Buch hat Franz Spreitz, zusammen mit Lukas Pawek, seine Erfahrungen und viele Tips zum enerieeffizienten Wohnen zusammengefasst: Schritt für Schritt zur eigenen
Stromversorgung. Ein Praxis-Handbuch. Infos und Bestellmöglichkeit: www.autarkie.at